mehriran.de – Im Rahmen der Ausstellung „Iran’s Herz schlägt“ brachten am Freitag, 27. Juni 2014 Mitglieder des Vereins Karamat Texte, Gedichte, Geschichten und Musik in der Burgdorf Paulus Kirchengemeinde zu Gehör.
Nach einer Einführung in die Ausstellung „Iran’s Herz schlägt“ durch Erika Büchse von Amnesty Burgdorf, las Frau Steinmann einen Ausschnitt aus einem Brief der zu zehn Jahren Haft verurteilten Bahareh Hedayat an ihren Mann:
„…… Ich brauche das Licht …. Hier ist das Leben dunkel und schwer. Und nun diese einfache Liebesgeschichte ist Dein Geschenk zum 12. Kennenlerntag – weg von Politik und Gefängnis und …… in all‘ den Jahren hat nur Deine Liebe mich gerettet und aufrecht gehalten!“
Von Liebe, Licht und Finsternis erzählten die Texte, Gedichte und Weisheitsgeschichten, die im weiteren Verlauf des Programms zu Gehör gebracht wurden.
Gunda Dieterich, Barbara Mann, Eva-Mareike Knoche und Helmut N. Gabel spielten auch rhythmisch-meditative Sufi Musik auf der persischen Rahmentrommel und der Tombak.
Hier kommen die Texte und Worte des Abends zum Nachlesen für die zahlreichen interessierten, berührten und begeisterten Gäste.
Der deutsche Dichter Friedrich Hölderlin dichtete in seinem Hyperion:
„Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.“
Amnesty und andere Organisationen wie zum Beispiel die Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte im Iran (IOPHRI) oder der Verein Karamat und viele andere Vereine und Einzelpersonen sorgen dafür, dass die Gefahren durch Despoten und Ideologen bekannt werden, so dass sich Menschen den Gefahren stellen können.
Wenn wir beser verstehen wollen, was im Iran passiert, warum es passiert und wie den Menschen im Iran nachhaltig geholfen werden kann, müssen wir in die Kulturgeschichte Irans schauen. Wir tun das mit kurzen fragmentarischen künstlerischen Zeugnissen.
Die zeitgenössische Dichterin Aramesh aus Hamburg hat iranische Wurzeln und lebt das Geschehen in der Heimat ihrer Vorfahren mit. Sie schreibt immer wieder eindrückliche Gedichte auf Deutsch und ermutigt dadurch andere Menschen sich zu beschäftigen mit der reichen Kulturgeschichte Irans und seiner Despoten, die Zwang, Schrecken und Gewalt auf die Bevölkerung ausüben.
Immer wieder – Aramesh
Versprechen ziehen wie leere Kreise
bis unter das Dach des Damavand.
Über dem Flussbett erheben sich
Tausende von Fledermäusen, die mit
Ihrem Flügelschlag Lebensfäden schneiden
und unzählige Herzen erzittern lassen.
Die Nacht wurde beauftragt, den Sternen
zu verbieten, zusammen zu kommen, um
sich im Mondschein zu treffen. Schuldig
gewordene Sterne werden am Gewölbe
gehenkt. Unlängst wurde der Mond für
unerlaubtes Licht in Verbannung geschickt.
Was nützt es der verletzten Erde zu beben,
wenn selbst die Steine sich zum Wurf
bereiten und Tote aus ihrem Schlaf
erwachen, während schwarze Reiter auf
Schattenpferden ihre Knüppel über
dem jungen Kornfeld schwingen?
Mag mich der raue Hauch des Evin lehren,
meine Knochen zu zählen oder das Blut von
meinem Munde zu trinken, meine Stimme
wird wie eine Taube durch die Gitter gleiten,
und sich mit dem großen Schwarm vereinen.
Eine der entscheidenden ideologischen Fragen ist die Frage der Anbindung des Menschen an eine jenseitige Kraft, ein jenseitiges Wesen. Die herrschende Ideologie im Iran betrachtet das Individuum auch in dieser Frage wie in vielen anderen Fragen auch als ewig unmündig und zu Gehorsam gegenüber staatlich verordneten Autoritäten verpflichtet. Die meisten Menschen im Iran sind immer noch sehr religiös gesinnt, zumindest haben sie einen äusserst ausgeprägten Familiensinn und Sinn für Zusammengehörigkeit oder Anbindung.
Wir haben im Westen durch Friedrich Nietzsche von dem Menschheitslehrer Zarathustra (Zartosht) erfahren, auf den sich die Religion der Zarathustrier beruft. Die zeitliche Einordnung seines Lebens ist so gut wie nicht bestimmbar und es liegen verschiedene Hinweise vor, die zu unterschiedliche Epochen zeigen. Eine Variante lautet er habe 1000 vor Christus gelebt. Vor allem in der Zeit der Sasaniden (3.-7. Jahrhundert nach Christus) entstand eine Staatsreligion, die bestimmte Zarathustrische Lehren zu verbindlichen Dogmen erhob und schriftliche Zeugnisse produzierte, die sie Zarathustra zusprach. Einer der Texte enthält folgende Passage:
»Wer ist der Erzeuger, der Urvater des göttlichen Rechtes? Wer setzte die Bahn fest der Sonne und der Sterne? Wer ist’s, durch den der Mond bald zunimmt und bald schwindet? Wer hält die Erde unten, wie auch das Himmelsgewölbe, dass sie nicht stürzen? Wer die Gewässer und die Pflanzen? Wer schirrt dem Wind und den Wolken das Rennzweigespann vor? Wer ist, Allweiser, der Schöpfer des guten Sinnes? Welcher Meister schuf die Lichter und die Finsternisse? Welcher Meister schuf Schlaf und Wachen? Wer ist’s, durch den Morgen, Mittag und Abend sind, den Verantwortungsbewussten an seine Pflicht zu mahnen?«
Und hier findet sich schon ein Kontrapunkt für die zur Zeit herrschende Ideologie im Iran. Verantwortungsbewusst kann nur handeln, der auch einen Entscheidungsspielraum hat und nicht als ewig unmündig kategorisiert wird.
Duft der Heimat, Aramesh
Mutter Iran, Dein Lächeln gleicht den grünen
Steinen, poliert von den Zungen der Quellen
auf ihrer Reise durch bizarre Berge, um
den Geschmack der Heimat zu spüren.
Deine Hände trösten den wilden Mohn, der
in den kargen Steppen in Vergessenheit geriet,
und entlocken den Wüsten ein Seufzen,
dessen Sehnsucht die Hitze mit sich trägt.
Dein Leib beherbergt prachtvolle Gärten, in
denen Rosen neben Palmen tanzen und
Nachtigallen im Einklang mit den Zikaden
ihren Gesang dem Jasmin schenken.
Dein Safran zeigt sein Goldlächeln, während
die Nacht sich mit diamantenen Sternen schmückt
und über ehrwürdigen Gemäuern vergangener
Epochen wacht, gespiegelt in stillen Teichen.
Jahrtausendealte Gedichte, wie ein Schatz von
Mund zu Mund gesprochen… und Du, Koroush,
milder Herrscher der Menschheit, wer könnte
Dich und den Heiligen Ziegel je vergessen?
Mutter Iran, Du wurdest Gefangene der
Gnadenlosen, ausgeliefert den Händen von Mördern
und Tyrannen, die Opfer steinigen und den Namen
Gott mit der Peitsche auf die Haut zeichnen.
Ihr Hass singt seine grausigen Lieder in den Gassen
der Gegenwart, während am Galgen unsere Kinder
sterben. Geflüsterte Worte werden in Mauern geritzt
und in die Wunde unserer Herzen.
Mutter Iran, bedecke Dich nicht mit dem Tschador
der Trauer. Weine keine blutigen Tränen. Wir werden
uns stets erinnern, wer wir sind. Kein Untergang, keine
Gewalt, aber wir brauchen euch, Einheit der Menschheit…
Einer der größten Herrscher, der für Vielfalt in der Einheit eingestanden ist, hat im 6. Jahrhundert vor Christus eine ganze Dynastie (Achämeniden) begründet: Kyros der Große (Kourosh). In einem schriftlichen Zeugnis beschreibt er sich selbst:
„Ich bin Kyros, der König des Alls, der große König, der mächtige König, König von Babylon, König von Sumer und Akkad, König der vier Weltgegenden, Sohn des Kambyses, des großen Königs, Königs der Stadt Anshan, Enkel des Kyros, des großen Königs, Königs der Stadt Anshan, Urenkel des Teispes, des großen Königs, Königs der Stadt Anshan, der ewige Sproß des Königtums. … Meine weit ausgebreiteten Truppen zogen friedlich innerhalb Babylons umher, in ganz Sumer und Akkad ließ ich keinen Feind aufkommen, des Inneren Babylons und aller seiner Kult-Stätten nahm ich mich gern an. Die Einwohner Babylons befreite ich von dem Joche, das ihnen nicht ziemte. Ihrer Wohnungen Verfall besserte ich aus, ließ aufgraben ihren Einsturz.“
Seine Kulturleistung für einen menschlicheren Umgang mit einander findet sich in einem Tonzylinder, der als erste Menschenrechtscharta in die Geschichte eingegangen ist. Ein Ausschnitt daraus lautet:
„Ich verkünde, dass jeder Mensch verantwortlich für seine eigene Taten ist, und niemals seine Verwandten für seine Vergehen büßen müssen und niemand aus einer Sippe für das Vergehen eines Verwandten bestraft werden darf. Bis zu dem Tage, an dem ich mit dem Segen von Mazda herrsche, werde ich nicht zulassen, dass Männer und Frauen als Sklaven gehandelt werden, und ich verpflichte meine Staatsführer, den Handel von Männern und Frauen als Sklaven mit aller Macht zu verhindern. Sklaverei muss auf der ganzen Welt abgeschafft werden! Ich verlange von Mazda, dass er mir bei meinem Vorhaben und Aufgaben gegenüber den Völkern von Iran, Babylon und den Ländern aus vier Himmelsrichtungen zum Erfolg verhilft.“
Man denke nur, welch eine Leistung diese Absicht in einem Umfeld des Rechts des Stärkeren und der selbstverständlichen Versklavung war!
In der Zeit der Sasaniden (3.-7. Jahrhundert nach Christus) lebte ein Mann, der Impulse und Weisheiten aus Taoismus, Buddhismus und Urchristlichen Lehren vereinigt und damit viele Menschen erreicht hat. Mani gilt als Begründer der Manichäer Religion, die sich von China über Afrika bis nach Südspanien ausbreitete bevor sie brutal unterdrückt und ihre Mitglieder verfolgt wurden. Er zeigte den Menschen Wege auf sich aus Leid und Not zu erheben und zu befreien. Einige seiner Schriften sind verloren gegangen und einige erhalten geblieben. Hier ein Hymnus von Mani:
“Das glänzend helle Licht des Weltalls bist Du,
der breite Durchlass für alle entweichende Seelen.
Jene dunklen Wesen, die deiner nicht Inne werden
und sich stets abwenden, fallen in traurige Schwermut.
Allumfassendes Lichtwesen wirke durch unsere Hände
heilend auf diese Frau, lass sie das lebendig Gute erfahren.
Und hilf auch jenen Seelen, deren Befreiung vorgesehen ist,
Dass sie den nächsten Durchlass finden in das rettende Land.“
Aber es gab auch Frauen, die durch ihre Weisheit schon in früher Zeit auffielen, auch wenn sie von orthodoxen Kräften gar nicht gern gesehen waren. Eine diese Frauen war Rabia, eine Sufi Meisterin, die im 8. Jahrhundert nach Christus in Basra lebte:
Als Waisenkind verarmter Eltern wurde Rabia in die Sklaverei verkauft, wobei ihr Herr auch die sexuelle Verfügungsgewalt über sie besaß. Sie schlief oft wochenlang nicht und verbrachte die Zeit mit Fasten, im Gebet und in Meditation. Eines Nachts bemerkte ihr Herr einen hellen Lichtschein über ihrem Kopf, der das gesamte Haus erleuchtete. Darüber erschrocken ließ er sie frei und sie begann in der Wüste ein abgeschiedenes Leben als Sufi. Auch wenn sie später in die Stadt Basra zurückkehrte, blieb sie ihr gesamtes restliches Leben keusch und lehnte trotz legendärer Schönheit jedes Heiratsangebot ab. Eines Tages sah man Rabia in den Straßen von Basra mit einem Eimer Wasser in der einen Hand und einer Fackel in der anderen Hand. Als sie gefragt wurde, was dies zu bedeuten habe, antwortete sie: „Ich will Wasser in die Hölle gießen und Feuer ans Paradies legen, damit diese beiden Schleier verschwinden und niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle oder in Hoffnung aufs Paradies anbete, sondern nur noch um Seiner ewigen Schönheit willen.“
Rabia wurde einmal gefragt: „Liebst Du Gott?“ Sie antwortete: „Ja.“ – „Hasst Du den Teufel?“ Sie antwortete: „Nein. Meine Liebe zu Gott lässt mir keine Zeit, den Teufel zu hassen.“
Ein anderer Sufi Meister oder Mystiker lebte im 13. Jahrhundert in Konya, der damaligen Hauptstadt des Seldschukischen Reiches. Er wird Rumi (derjenige aus Ostrom) oder liebevoll Maulana (Mewlana-unser Herr) genannt und wird sowohl in der türkischen als auch in der iranischen Kultur verehrt. Wir erzählen die Geschichte von dem „Elefanten im dunklen Raum“. Beispiele sind auf einer CD versammelt: „Wer klopft an die Tür?“.
Eine weitere Frau, die das Leid ihrer Landsleute zur Sprache bringt ist Simin Behbahani. Sie dichtet so:
Nicht einer, nicht zwei…es waren fünf
Nicht einer, nicht zwei…es waren fünf – und dennoch
mir ist’s als wären es mehr als zehn mal fünf gewesen.
Und wie nur ist es möglich, dass Galgen (an denen sie hingen)
einst Bäume waren, die sich den Äxten widersetzten?
Sagt mir wie ich beschreiben soll die Tage als die Galgen noch Bäume waren:
Aufrecht und frei die Kronen erhoben, gruben sie ihre Hacken in die Wiese.
Als die Brise sie im Garten fand und sich um ihre Zweige wand
Rührte ihre Botschaft alle auf sanft tänzelnde Weise.
Jetzt sind auf ihnen Häupter gewachsen,
Köpfe, die vom gebroch’nen Genick hängen
Köpfe ausgewachsener Gestalten,
vielleicht auf ihre Weise Champions.
Sie werden dem Warten überlassen,
mit baumelnden Beinen, gänzlich ihrer Worte und Sprache beraubt, –
diese Köpfe, deren Geschichten Stapel von Büchern hätten füllen können!
Nur Wolken könnten jetzt Tränen auf ihre gebrochenen Leiber regnen,
denn Mütter durften nicht bei ihnen weilen selbst nicht beim Tod.
Verschwendet keine Beschwerde über den gewissenlosen Richter, der
Feind war, nicht Feind der Dunkelheit und Tyrannei,
sondern Feind des Schöpfers des Lebens.
Weitere Geschichten und Gedichte von Rumi sind zum Besten gegeben worden und auch dieses Gedicht von Rasoul Fagh aus der Solidaritätsaktion der Betreiber der website mehriran.de.
Den Kindern der Freiheit
Den Kindern der Freiheit
gleichen Winde und Wellen,
Stürme und Sternenlicht
nicht zu fassen werden sie sein.
Ihr Kinder der Freiheit
kennt Eure Träume,
andere schlafen
für Ewigkeiten durchs Leben.
Harte Felsen macht ihr mürbe
und sie stürzen,
kalte Herzen und blinder Gehorsam
sind nicht Teil Eurer Lebensmelodie.
Wenn Ihr singt, Ihr Kinder der Freiheit
zittern die Herrscher im Turm,
wenn Eure Arme sich umfassen
endet die Zeit der Despoten.
Oh Ihr Kinder der Freiheit
ich höre uns träumen,
ich höre im Herzen unsre feurige Melodie -
und wann werden wir sie wieder gemeinsam singen? —
Vielleicht gibt es innerhalb der Machtelite Menschen, die Gutes wollen, aber Böses bewirken, weil sie sich den Dimensionen ihres Handelns nicht bewusst sind. Diese Menschen müssen durch stetes ’name and shame‘ von Außen auf diejenigen Dimensionen aufmerksam gemacht werden, die sie lieber ausblenden.
Neben der Einzelfallarbeit, die Amnesty mit Hilfe so vieler Menschen in wunderbarer und unermüdlicher, selbstloser Arbeit leistet, braucht es weitere Massnahmen, damit die Bürgerinnen und Bürger Irans in einem freiheitlichen statt bevormundendem System ihr Schicksal endlich selbst gestalten und sich nicht nur wehren und durchlavieren müssen. Es braucht ein gemeinsames Bewusstsein der Gefahren für das Menschsein aller auf der ganzen Welt.