mehriran.de – Die tragischen Ereignisse von Brüssel zeigen einmal mehr, wie islamischer Extremismus weiterhin an der Spaltung und Eroberung der westlichen Gesellschaften arbeitet.
In meinem Buch „Neue Forschungsergebnisse zum Koran“ habe ich bereits aufgezeigt, dass es sich nicht um ein neues Phänomen handelt. In der Tat reicht das Phänomen schon in die Lebenszeit des Propheten Mohammed, als er sich bemühte Islam-ol-Madani, den Islam der Zivilisiertheit einzuführen, im Gegensatz zum Islam-ol-Badawi, dem Islam der Stammesgesetze, der von jenen, die sich zwar zum äußerlich zum Islam bekannt hatten, doch in ihrem Innern den Stammesgesetzen und -traditionen anhafteten. Die Letzteren haben die Geschicke des gewöhnlichen Islams nach dem Tod des Propheten in ihre Hände genommen.
Da die Probleme, die durch Extremismus hervorgerufen wurden, schon Jahrhunderte alt sind, sollten Gesetzgeber und Politiker keine schnellen Lösungen erwarten, sondern sich auf nachhaltige Strategien konzentrieren. Dazu sollte man noch die Menschen berücksichtigen, die im Westen groß geworden sind und westliche Bildung genossen haben und sich von dieser Art von Ideologie hingezogen fühlen. Der Hang zu Radikalisierungen in den europäischen Gesellschaften, ist ein Thema, das nach Lösungen ruft.
Europäische Strategien und Maßnahmen gegen Extremismus sollten sich aus ihrem derzeitigen Zustand der Reaktion in eine strukturierte und nachhaltige Vorgehensweise entwickeln. Der erste Schritt auf diesem Weg sollte darin bestehen, das Problem an der Wurzel zu packen. Dafür sollten wir die Quelle des Islam, den Koran und seine geistigen Lehren gut verstehen, um nicht Opfer von Fehlinterpretationen zu werden. Der Koran ist für alle verschiedenen muslimischen Fraktionen die gemeinsame Grundlage. Ein akkurates Studium und Verständnis seiner Lehren, sollte daher den Kern und die Seele des Textes untersuchen, um als entscheidender Referenzpunkt zur Unterscheidung des Islam-ol-Madani (zivilisierter Islam) von der fundamentalistisch-egoistischen Interpretation zu dienen.
Der zweite Schritt muss die Vorstellungswelt der Extremisten ergründen, um den Ursprung dieser Vorstellungen zu erkennen. Der Maßstab und Ansatz für die Betrachtung ist ein Blick auf die Einstellung gegenüber den Menschenrechten, die im Kern Toleranz und Gleichheit für alle enthalten. Wir können uns als Gesellschaft nicht still verhalten angesichts ausgrenzendem und intolerantem Verhalten. Leute, die Intoleranz fördern, betrachten unser Schweigen als Signal ihre eigene Propaganda zu verbreiten. Sie missbrauchen oft die Prinzipien der Demokratie, wie freie Rede, um Demokratie zu Fall zu bringen. Sie zielen darauf die Gesellschaft zu spalten.
Wie können also heutige Entscheider mit den Gefahren von Extremismus und Spaltung umgehen?
Mein erster Vorschlag bezieht sich auf Bildung. Es erscheint mir wichtig, dass gewisse muslimische Gruppen innerhalb unserer Gesellschaft, die empfänglich sind für radikale islamistische Ideen, mit Werten der demokratischen Grundordnung und der allgemeinen Menschenrechte in Berührung kommen und deren Sinn als Grundlage unserer Gesellschaft verstehen und akzeptieren lernen.
Ähnlich gilt es bei Immigranten und Einwanderern aus islamischen Ländern vorzugehen. Wir sollten ihnen vermitteln, dass der Koran, die Basis für den Islam, nicht nur mit den Werten von Frieden und Gerechtigkeit jenseits des Glaubens, des Geschlechts oder der Abstammung übereinstimmt, sondern dies eindeutig einfordert. Der Koran legt den Muslimen Verhaltensmaßgaben ans Herz, die mit diesen Werten korrespondieren, so dass sie nicht gegen die Lehren des Korans verstoßen, wenn sie diese Werte annehmen.
Für die Glaubwürdigkeit dieses Bildungsansatzes ist es relevant, dass Menschen, die diese Werte vermitteln sollen, die Grundsätze der Menschenrechte tief verinnerlicht haben. Durch verschiedene Bildungsmassnahmen gilt es dann vor allem die Haltungen und Vorstellungen derjenigen Menschen anzusprechen, die Stammestraditionen anhängen, welche den Prinzipien der allgemeinen Menschenrechte widersprechen und mit Islam in Verbindung gebracht werden.
Ausgegrenzte und isolierte Individuen in den Gesellschaften Europas sind für die Manipulationen der Leute mit einer extremistischen Agenda besonders anfällig. Sie fühlen sich ausgegrenzt, vernachlässigt, abgehängt oder unerwünscht und steigern sich in die Vorstellung hinein, dass der einzige Ausweg für sie darin besteht, Rache zu üben an der Gesellschaft durch Angriffe auf die Gemeinschaft oder sich denen anzuschließen, die uns ins Chaos stürzen wollen.
Ein Hauptpunkt gegen solchen Radikalisierungen vorzugehen, sollte einen inklusiver Zugang zu den Individuen sein. Sinnvolle Massnahmen dafür könnten gemeinschaftliche Aktivitäten sein, wie Sport oder Kunst in Begleitung einer ganzheitlichen und inklusiven Bildung. Diese Menschen brauchen eine positive Ermutigung ihr Leben in die hand zu nehmen und die Entwicklung eines Zugehörigkeitsgefühls.
Der Erfolg einer Vorgehensweise hängt sehr wohl von der Glaubwürdigkeit jener Menschen ab, die sie ersinnen und umsetzen. Damit Muslime in Europa und außerhalb Europas die Politik und die Vorgehensweisen Europas als gelungen betrachten, sollte die Außenpolitik Europas übereinstimmen mit den Werten der Gesellschaften in Europa, insbesondere hinsichtlich der Menschenrechte. Es kann nicht klug sein, Vorgehensweisen zu verfolgen, die diesen Prinzipien widersprechen. Handel zu betreiben mit Ländern, die grundlegende Menschenrechte der eigenen Bevölkerung mit Füßen treten, sollte unterlassen werden.
„Der Koran preist Frieden und Gerechtigkeit unabhängig von Glauben, Abstammung, Nationalität oder Geschlecht über die Maßen an.“
Dank einer globalisierten und stark vernetzten Welt, muss die Europäische Union sehr schnell handeln, um aufkeimende Konflikte rechtzeitig anzugehen. Der Bürgerkrieg in Syrien hat klar gezeigt, dass Europa nicht immun ist für die Folgen von Konflikten außerhalb seiner Grenzen. Im Moment ringen wir auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen mit den Herausforderungen einer sehr großen Anzahl an Flüchtlingen, die in sehr kurzer Zeit ankommen. Zugleich sind wir konfrontiert mit der Verbreitung extremistischer Ideologien. Die Außen- und die Innenpolitik Europas muss aktiv gegen den Einfluss extremistischer Regime und Organisationen vorgehen, die Terrorzellen in Europa bilden und nähren. Dies geschieht in sogenannten religiösen Zentren, wie wir es aus Dänemark und Großbritannien kennen.
Zuletzt weise ich auf die Verantwortung der Kommissionen hin, die an der Gestaltung der Vorgehensweise mit diesen Problemen beteiligt sind. Um die Ausbreitung von Islamophobie zu verhindern und einzudämmen, sollten die Mitglieder dieser Kommissionen ein tiefes und umfassendes Verständnis des Korans und des Islams erlangen, um ihre Vorgehensweisen aus dieser Expertise heraus glaubwürdig zu gestalten. Auf Grund der Tatsache, dass Europa eine Region mit offenen Grenzen ist, wäre es angebracht dieses Vorgehensweisen auf einer Pan-Europäischen Basis zu implementieren.
Durch gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen und einem Erfassen des tiefen und authentischen Geistes des Korans wird es möglich gewalttätigen Extremismus von der Religion Islam zu unterscheiden. Diese Extremisten haben nicht wirklich Interesse daran, religiösen Unterweisungen Folge zu leisten, sondern bringen ihre fundamentalistische Agenda unter dem Vorwand und Deckmantel einer Religion, um ihre eigennützigen Ziele zu erreichen.
Seyed Mostafa Azmayesh
Religionswissenschaftler und Forscher auf dem Gebiet der Spiritualität und Gnostik. Er ist Autor einer Neuerscheinung mit dem Titel „Neue Forschungsergebnisse zum Koran“.
Originalveröffentlichung: Europesworld.org