Krieg gegen Barbarei

Krieg und Frieden

„Es ist leichter, mit Worten zu kämpfen als mit Waffen.“ Leo Tolstoi, Schriftsteller, 19. Jahrhundert

„Krieg und Frieden“ heisst ein einst berühmtes Buch eines Schriftstellers mit reichlich Lebenserfahrung: Lew Nikolajewitsch Tolstoi. Darin finden sich zeitlose Lebensweisheiten. Wir schreiben 2025. Kriege gibt es nicht wenige. Gründe dafür noch mehr. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit europäischer Bürgerinnen und Bürger stehen der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der Schlagabtausch zwischen Israel und dem islamistischen Regime in Teheran mit allerlei Drohnen, Raketen und Bomben. Das löst Ängste aus, Debatten, Verwunderung, Empörung, Hoffnungen. Wird das Regime in Iran schliesslich fallen? Werden neben Generälen und Atomwissenschaftlern auch Ideologen mit Turban zum Ziel? Werden weitere zivile Ziele in Israel zerstört? Werden die USA in den Schlagabtausch eintreten? Sind die Angriffe völkerrechtswidrig? Warum sollen die Bewohner Teherans aus der Stadt fliehen? Was ist so schlimm an der Ideologie des Regimes in Iran? Was hat der Gauchisten-Islam mit Iran zu tun? Wie könnte es nach dem Fall des Regimes weitergehen?

Schlag auf Schlag

Seit Freitag, dem 13. Juni 2025 hat die israelische Luftwaffe durch minutiös geplante Aktionen und präzise Schläge relevante Generäle der Pasdaran und Atomwissenschaftler getötet, Raketenabschussbasen, mobile Raketenwerfer, Raketenfabriken, Drohnen, Kasernen der Bassidschi und der Pasdaran zerstört, sowie Nuklearforschungs- und Produktionsanlagen beschädigt.

Krieg gegen Barbarei: Schlag gegen die im Bau befindliche Schwerwasserreaktoranlage in Arak, Iran

Krieg scheint nicht zeitgemäss, ist er nötig?

In Teheran und Tel Aviv weinen Mütter und Kinder. Krieg ist reale Zerstörung, reales bitteres Leid, Verlust. Leben werden ausgelöscht. Eine harte und unerbittliche Wahrheit für Menschen, die das Surren der Tod bringenden Flugmaschinen aller Art, die Einschläge, die zerfetzten Leiber, die skelettierten Wohngebäude und Strassen wieder und wieder erleben müssen. Da gibt es nichts zu verherrlichen oder zu feiern. Die nächsten Jahrzehnte werden viele physischen und seelischen Wunden geheilt werden müssen.

Was rechtfertigt eine gewalttätige Vorgehensweise gegen das Regime in Iran? Seit 1979 hat sich in Iran ein Regime festgesetzt, das sich als überaus brutal, gerissen, hinterhältig und aggressiv entpuppt hat. Menschenleben zählen wenig. Das konnte man bereits ahnen als im Irak-Iran Krieg, Kinder mit Plastikschlüsseln um den Hals und dem Versprechen ins Paradies einzugehen, Minenfelder durch ihr Lebensopfer frei machen sollten.

Später kamen die Kettenmorde hinzu, der Überfall paramilitärischer Bassidschi Trupps auf ein Studentenwohnheim, bei dem Studenten von Dächern gestürzt wurden, die blutigen Niederschlagungen von Protesten nach gefälschten Wahlen (green movement), Protesten über Benzinpreiserhöhungen, Protesten wegen der Verhaftung religiöser Führer (Dr. Nour Ali Tabandeh, Ajatollah Boroudscherdi), Protesten (woman life freedom) aufgrund strenger Ahndungen von Verstössen gegen das Kopftuchgebot und dem damit einhergehenden Mord an Mahsa Amini in Teheran.

Die internationale Gemeinschaft wurde in Bezug auf das Atombombenprogramm des Regimes über Jahre hinweg an der Nase herumgeführt. Der Oberste Führer behauptete eine Atombombe sei unislamische und deshalb werde ein Bau nicht in Betracht gezogen. Doch das Regime hat Prioritäten und nutzt den Islam als Maske, um sich und seine Absichten, Ziele und Taten zu verstecken. So gilt das Prinzip das Regime auf jeden Fall zu erhalten vor allen anderen islamischen Geboten. Daran zeigt sich die toxische Mischung zwischen Religion und Staat. Die Religion wird als Maske und Moral genutzt, um dahinter machtpolitische Ziele zu erwirken.

Das hat mehrfach zu Fehleinschätzungen bei westlichen Journalisten, think tanks und Politikern geführt. Man setzt auf Diplomatie und lässt sich ein ums andere Mal zu Ergebnissen hinreissen, die dem Regime das Überleben sichern und einen hohen Zufluss von Geldern, die dann in den Aufbau von Proxies (Hisbollah im Libanon, Hamas in Gaza, Houthis im Jemen, Gruppen im Irak, im Sudan, in Südafrika, in einigen Südamerikanischen Ländern) fliessen.

Schliesslich der hinterhältige Überfall auf grenznahe israelische Siedlungen durch die von den Pasdaran trainierten und finanziell unterstützten Hamas-Bezerker am 7. Oktober 2023. Seither hat die israelische Führung verstanden, was einige Exil-Iraner seit vielen Jahren prophezeien: dieses Regime verfolgt einen unbedingten Todeskult und will Ströme von Blut sehen, will Israel, den Westen vernichtet und subjugiert sehen.

Dieser Kriegsauftakt hat dazu geführt, dass Israel Schritt für Schritt Hamas, Hisbollah und Assad in Syrien militärisch so hart getroffen hat, dass nur noch wenig Gefahr aus diesen Winkeln zu erwarten ist. Nachschubwege sind abgekappt, das Waffenarsenal arg dezimiert, Produktionsstätten platt gemacht, Anführer kalt gestellt.

Und gleichzeitig kann die hohe Opferzahl erschrecken. Und sie erschrecken manche Aktivisten so sehr, dass sie sich bereitwillig Opfernarrativen iranischer Regimeagenten anschliessen, ohne die Hintergründe, das Wesen des Regimes, geschweige deren Verachtung für Menschenleben zu kennen. Damit tragen sie zur Verlängerung und zur Erweiterung des Leids bei. Das Gleiche kann man westlichen Regierungen vorwerfen, die das Regime in Iran immer wieder hofiert haben. Hier ein Beispiel, wie Iranerinnen sich dadurch verraten fühlen:

Krieg gegen Barbarei: in dieser Karikatur von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kommt deutlich die Unzufriedenheit exil-iranischer Aktivistinnen mit seiner Regime in Iran freundlichen Haltung zum Tragen
Krieg gegen Barbarei: Das Regime lässt seinen Frust an den bekannten Oppositionellen in Iran aus

Masih Alinedschad war zunächst Parlamentsberichterstatterin und deckte 2005 als Journalistin einer liberalen Zeitung mehrere Korruptionsskandale in Iran auf. Sie hat sich seit ihrer Flucht aus dem Iran für Rechte der Frauen dort eingesetzt und stand im Kontakt mit vielen jungen rebellischen Frauen, die unter den Repressionen des Regimes gelitten haben, sich aber nicht haben unterkriegen lassen.

Krieg gegen Barbarei: Masih Alinedschad ist einigen Anschlagsplänen des Regimes entkommen und hat eine Botschaft für westliche Anti-Kriegs-Aktivisten.

Krieg den Palästen, Friede den Hütten?

Israel ist nicht nur entschlossen, die Verantwortung für ein Ende jeglicher atomarer Bedrohung durch den Iran zu übernehmen. Israel ist entschlossen, diesem Schreckensregime ein Ende zu setzen. Netanjahu und sein Stab fürchten wohl, dass die Verantwortlichen des Regimes in Iran sich wieder in Gespräche retten, nur um ihre Macht wieder zu festigen und weitere Jahrzehnte zu nutzen, um seine Angriffspläne und Auslöschfantasien wahrzumachen. Israels Ziel ist nicht die Vernichtung des iranischen Volkes.

Netanjahu und viele andere sprechen fast liebevoll über die iranische Nation und die historische Verbundenheit zwischen den Völkern und Nationen in Iran und Israel. Wir können uns also entweder auf überraschend effektive Taktiken bei der Erreichung der Ziele oder auf einen langen Krieg einstellen. Hoffen wir, dass der Einfallsreichtum der Israelis die Schwachstellen des Regimes zu nutzen weiss.

Krieg gegen Barbarei: Ministerpräsident Netanjahu fasst die Ziele zusammen: Atombombe verhindern, dem Regime ein Ende bereiten

Die übliche Frage in Kriegen muss natürlich auch gestellt werden: cui bono? Wem wird das nutzen? Die Zerstörungen in Iran und Israel sind schwere Verluste. Wiederaufbau ist teuer. Mindestens so teuer wie Kriege. Es wird der Wiederaufbau natürlich auch ein Jobmotor für die vielen gut ausgebildeten Iranerinnen und Iraner sein. Exil-Iraner werden mit viel Geld in ihre Heimat zurückkehren und investieren.

Ob und inwiefern die Menschen, die schon unter dem ideologischen System unter die Räder kamen, besondere Profiteure eines neuen Iran sein könnten, muss sich zeigen. Falls eine oligarchische Oberschicht mit demokratischem Anstrich ohne Beteiligung der Menschen von Aussen eingesetzt wird und die verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen wenig Teilhabe erleben werden, droht natürlich viel Unruhe und Blutvergiessen auch ohne ein Regime des Todeskultes.

Referendum und Solidarität mit den Menschen in Iran

In London kann sich jeder öffentlich ein Bild davon machen, wie ein Aktivist vor dem britischen Aussenministerium campiert, Besucher aus aller Welt, Exil-Iraner, Politiker, Menschenrechtler empfängt und Radion und Fernseh-Interviews gibt. Vahid Beheschti wurde bereits ins israelische Parlament (Knesset) eingeladen, um aus Sicht eines Oppositionellen die Situation der Menschen in Iran zu schildern und eine Empfehlung für eine Vorgehensweise zu geben.

Krieg gegen die Barbarei: Vahid Beheschti in Jerusalem

Netanjahu scheint sich ermutigen haben zu lassen durch Beheschtis Drängen, das Regime anzugreifen. In einigen Interviews mit Beheschti seit seinem Hungerstreik vor dem Aussenministerium habe ich seine Geschichte, seinen Schmerz und sein selbstloses Pochen auf die Gefahren durch das Regime auch für den Westen dokumentiert.

Vahid Beheschti: Ich bin mit keiner politischen Gruppe verbunden und fokussiere mich nur auf Eines: diesem Regime ein Ende bereiten
Vahid Beheschti: Warum gelingt es dem Regime immer wieder Uneinigkeit in der westlichen Politik herzustellen
Krieg gegen Barbarei: Vahid Beheschti über Gemeinsamkeiten zwischen Israel und Iran

Beheschti hat mittlerweile eine Dachorganisation mitgegründet, die daran arbeitet, einen friedlichen Übergang zu einem möglicherweise demokratischen Iran zu schaffen. Das Mittel dafür wäre ein Referendum unter internationaler Aufsicht. Doch dieses Ziel ist noch nicht so nah, wie sich mancher wünschen würde. Es gilt das Regime weiter militärisch zu schwächen, denn Chamenei macht keine Anstalten klein beizugeben. Das wiederum gefällt schon allein aus Prinzip vielen Leuten im Westen.

Es fühlt sich an wie „Die Kleinen zeigen es den Grossen“ oder „Das letzte gallische Dorf im römischen Reich“ und kann westliche Aktivisten zur Solidarität mit gedungenen Mördern und Propagandisten verleiten. Es wäre sehr tragisch für uns und unsere Nachkommenschaft, wenn wir uninformiert bei diesem ersten Gefühlseindruck blieben und nicht den anstehenden Wandel in Iran unterstützen. Es wird leider mit den hartnäckigen Ideologen der Islamischen Republik Iran nicht friedlich gehen. Ihre Mission ist ihnen heilig.

Krieg gegen Barbarei: Vahid Beheschti über den Fall des Regimes

©Helmut N. Gabel für mehriran.de, 19.06.2025

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