Fatwas sind religiöse Gutachten, die Gläubige verpflichten, ihnen zu folgen. In diesem Fall geht es um Aufrufe zum Mord. Von staatlichen bestellten Ideologen, die sich als Quellen der Weisheit ausgeben. Missbrauch von Religion.
Die Welt der staatlichen Kleriker in Iran ist uns im Westen so fremd, dass wir es schwer damit haben, Konsequenzen auch für unser Leben, geschweige denn für den Weltfrieden abzuleiten. Leider scheint das auch für Politiker, Journalisten, Strategen und Wirtschaftsführer der Fall zu sein. „Wandel durch Handel“ und Gespräche ist ein bewährtes Prinzip und mit Gegenparteien, die sich im gleichen oder ähnlichen Wertekreis bewegen, durchaus bewährt.
Das Regime in Iran folgt jedoch einer Ideologie, die auf Vernichtung des Westens, Aussetzung aller individueller Rechte, Auslöschung einer auf Recht aufgebauten Herrschaft und Verbot freier Meinungsäusserungen setzt.
Kollektiver Gehorsam gegenüber staatlich legitimierter Autoritäten, Denkverbote, Abwertung von Frauen und völlige Intransparenz politischer Entscheidungen sind jedoch tägliche Praxis im Alltag der Menschen in Iran und wenn der Westen das Regime in Iran weiter gewähren lässt, bald auch in Europa. Das folgende Rechtsgutachten (Fatwa) eines 98-jährigen Klerikers hat am Wochenende für Aufsehen gesorgt und sollte auch die Behörden in Europa alarmieren.
Schirasi und Hamedani erlassen Todesfatwas
„Jeder, ob Einzelperson oder Regime, der die islamische Umma, ihre Führung oder religiöse Autorität bedroht, gilt als mohareb (jemand, der Krieg gegen Gott führt). Jede Form der Zusammenarbeit oder Unterstützung für sie durch Muslime oder islamische Regierungen ist haram, also verboten. Alle Muslime auf der ganzen Welt müssen diese Feinde dazu bringen, ihr Handeln zu bereuen. Und wenn sie dabei Entbehrungen oder Schaden erleiden, werden sie die Belohnung eines Mudschaheddin (Märtyrer) auf dem Weg Gottes erhalten, so Gott will. Möge Gott die islamische Gemeinschaft vor ihren Feinden schützen und die Rückkehr des Imams der Zeit [Imam Mahdi] beschleunigen.“ – Ajatollah Nasser Makarem Schirasi und Ajatollah Hossein Nuuri Hamedani, 29.06.2025
Im Folgenden beschreibt ein Mitglied der Iran Front, einer neu gegründeten Dachorganisation von Exiliranern, welche Bedeutung und welche Konsequenzen von einer solchen Fatwa zu erwarten sind. Afschin Sadschedi ist Politikwissenschaftler. Iran Front hat einen Plan für einen geordneten Übergang zu einem neuen System aufgestellt, dessen zentrales Elemente ein Referendum über das zukünftige Regierungssystem unter internationaler Aufsicht enthält.
Wenn eine Fatwa zur Waffe wird
„Wie nutzt Irans klerikales Regime die Religion, um westliche Demokratien zu untergraben? Am Sonntag hat Makarem Schirasi, ein bekannter fundamentalistischer Staats-Geistlicher, eine Todesfatwa für alle Gegner Chameneis erlassen. Was bedeutet das? In der schiitischen Tradition, auf der die politische Ideologie des Regimes beruht, ist eine Fatwa ein religiöses Urteil – im ursprünglichen Sinne ein aktualisierter moralischer Leitfaden. In den Händen der Islamischen Republik ist die Fatwa jedoch zu einem Instrument des Mordens, der Radikalisierung, der politischen Gewalt und der über die Grenzen Irans gehenden Erpressung geworden.
Das berüchtigtste Beispiel ist die Fatwa des Begründers des islamistischen Systems, Ajatollah Chomeini, aus dem Jahr 1989 gegen Salman Ruschdie, in der er die Muslime weltweit aufforderte, ihn wegen angeblicher Blasphemie zu töten. Salman Ruschdie, als Sohn eines wohlhabenden muslimischen Kaufmanns in Bombay geboren, hatte einen Roman (Die satanischen Verse) geschrieben, der unter Muslimen als Beleidigung ihrer Religion empfunden wurde. Diese Fatwa führte zu weltweiter Gewalt, Attentatsversuchen und jahrzehntelanger Angst.
Noch verheerender wirkte sich Chomeinis Fatwa von 1988 zur Massenhinrichtung politischer Gefangener aus, die zur Ermordung von über 4.000-30.000 Dissidenten führte. Dies war nicht nur Theologie – es war theokratischer Völkermord im Gewand religiöser Legitimität.
Nur wenige Jahre später wurden Hunderte von Schriftsteller, Dichter, Übersetzer, Ärzte und andere mehr durch die Ausstellung von „Todes-Fatwas“ ermordet, nur weil sie eine andere Religion oder Überzeugung hatten. In einem Fall, „Hamid Pourhadschisadeh“, einem Dichter und Schriftsteller aus Kerman, verschonten sie nicht einmal seinen zehnjährigen Sohn „Karun“ und hinterliessen ihn zerstückelt, um Angst und Terror zu erzeugen.
Die Islamische Republik exportiert weiterhin Fatwas über ihre klerikalen Netzwerke in westliche Länder. Auf diese Weise drängt sie Muslime, religiösen Gehorsam über das bürgerliche Recht zu stellen, und zwingt sie damit in ein gefährliches Dilemma: Sei ein guter Bürger – oder treuer Gläubiger. Diese Taktik zielt darauf ab, zu radikalisieren.
Sie fördert die Isolation, das Misstrauen und die Konfrontation zwischen muslimischen Gemeinschaften und demokratischen Institutionen. Diese Fatwas haben gerechtfertigt: Ermordung von Dissidenten im Exil, Blasphemie-Urteile gegen Autoren und Künstler, Zwangsmassnahmen gegen Andersgläubige, Unterdrückung abweichender Meinungen in der muslimischen Welt und darüber hinaus. Dies ist keine Religionsfreiheit – es ist eine religiöse Instrumentalisierung.
Die Islamische Republik setzt die Fatwas nicht für eine spirituelle Orientierung ein, sondern als strategische Waffe der hybriden Kriegsführung gegen offene Gesellschaften. Die Instrumentalisierung der Fatwas ist eine ernste Bedrohung für Ost und West. Sie verwischt Grenzen zwischen Moschee und Staat – nicht nur in Teheran, sondern auch in London, Berlin und Toronto.“
Grundlegende Lösung
Der Westen muss dieses Problem ein für alle Mal lösen. Die Bedrohung durch radikalisierte und eifernde Extremisten, die mittlerweile nicht nur im Nahen Osten, sondern in Kanada, in den USA und in Europa verbreitet sind, ist nicht weniger gefährlich als die durch Nuklearwaffen. Diejenigen, die den Befehl zum Töten geben, sind genauso schuldig wie die Mörder selbst – und sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden! Die Verhängung der Todesfatwa ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Die Zentren, die die Todesfatwa ausstellen, sollten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit belangt werden. Wir sollten religiöse Freiheit nicht von politischem Extremismus vereinnahmen lassen. Toleranz hört auf, wenn Aggressoren eine offene und tolerante Gesellschaft nutzen, um ihre eigene Agenda durchzubringen. Die langfristige Agenda des Regimes in Iran könnte jedem, der etwas genauer unterscheidet, klar sein. Die Auswirkungen auf die Schweiz und Europa sind weder mit liberalen, noch konservativen und auch nicht mit sozialistischen Werten vereinbar. Das scheinen gerade Sozialisten tragischerweise zu übersehen.
©Helmut N. Gabel für mehriran.de, 29.06.2025