Gemalte Szenen einer Revolution
A Revolution on Canvas. Ein Film über Liebe, Trennung, Familie, Kunst vor, während und nach einer gestohlenen Revolution in Iran. Szenen aus zeitgenössischen Filmaufnahmen, historischer Kontext, eine Geschichte in farbigem Bangen, Hoffen und Entsetzen, berührende Begegnungsmomente zwischen Tochter und Vater, Tochter und Mutter, heitere Leichtigkeit.
Ist nicht jede Kunst Revolution? Jeder Farbauftrag auf eine Leinwand ein sanfter oder erschütternder Schrei des Lebens nach Ausdruck? Und dazu gibt es die handfesten, blutigen Revolutionen, die sich Chaos stiftend, Niedergang menschlicher Sitten zeigend, Ordnungen zerstörend, wie ein nimmersatter Drachen über Land und Leute wälzen und mit leuchtenden Lettern die Geschichtsbücher der Menschheit zieren.
Dieser Film hat die sogenannte islamische Revolution in Iran von 1979 als Referenzpunkt. Aufschreie eines von der Macht verdrängten Revolutionärs, der seine Eindrücke von der Revolution in farbexplosiver Bildkunst auf Leinwände gemalt hat.
„Möge der Verräter in Scham versinken“
Die äussere Rahmenhandlung gibt die Suche der Filmemacherin Sara Nodjoumi nach verlorenen Werken ihres Vaters Nikzad (Nicky) nach einer Ausstellung in Teheran zu Beginn der Revolution. Nodjoumi’s Bildmotive sind getrieben vom Gegensatz Macht versus Menschen. Einige Bilder Nikzad Nodjoumi’s stellen den damaligen religiösen Führer Ajatollah Ruhollah Chomeini nicht sehr positiv dar. Seine Kunst und er selbst geraten ins Visier religiös eifernder Revolutionäre. Die Bilder bleiben im Keller des Teheraner Museums für moderne Kunst. Nikzad Nodjoumi flieht in Windeseile in die USA, wo seine Tochter und Frau leben und auf ihn warten.
Ein Stück Zeitgeschichte liegt heute immer noch vor den Blicken der Welt verwahrt in den Kellern des Museums. Nickzad hat seine Heimat verloren, ein Teil seiner Schaffenskraft wird ihm vorenthalten. Er will die Bilder wieder haben.
„Uns beiden war unsere Kunst wichtig – für die Beziehung war das alles andere als einfach!“
Nahid Hagigat und Nicky Nodjoumi hatten auf der Teheraner Kunstakademie zueinander gefunden. Sie war jüdischen Ursprungs, er war Muslim. Doch sie verliebten sich, kamen zusammen, wollten ihre Kunst in New York fortsetzen. Nickzad geriet in den Strudel der chaotischen Verhältnisse in Iran, reiste dorthin, gab sein Herzblut für den Sturz des Schah.
Nachdem Chomeini an die Macht gespült wurde und die islamistischen Rotten begannen, alle missliebigen Gedanken, Äusserungen und Affiliationen von Menschen zu attackieren, verloren viele Revolutionäre ihr Leben. Das Teheraner Museum bot Nicky’s Schah kritischen Werken eine Ausstellung, die ihn angreifbar machte. Er musste zurück in die USA. Seine Bilder blieben.
Zur Untätigkeit im fernen Exil verdammt, erschütterte ihn eine Sinnkrise, löste aber einen Schaffenssturm in ihm aus. Nicky teilt seiner Tochter Sara mit: „Hätte ich nicht gemalt, wäre ich kriminell geworden oder ein Dieb.“
Er attackierte in seinen neuen Werken die Heuchelei und das Machtstreben der Mullahs und auch einiger westlicher Profiteure. „Das war nicht die Revolution, die wir wollten. Die Gerechtigkeit, für die wir gekämpft hatten, fehlte jetzt gänzlich. Es war viel schlimmer als das, was wir gehabt hatten“, lässt er die Zuschauer wissen. „Wir hatten eine Diktatur unter dem Schah, aber die war milde verglichen mit der islamistischen Diktatur“, sagt er.
Nahid muss ihre künstlerischen Aspirationen hinten anstellen, um die Familie zu versorgen. Die beiden trennen sich, leben getrennte Leben, leben wohl in anderen Welten, in derselben Stadt. Nahid gestaltet den Alltag für Sara und sich, Nicky durchlebt transformative Momente in der Auseinandersetzung mit seiner Wut und Enttäuschung und dem Fortgang der Revolution in Iran. Die Gegenwart zeigt Nicky mild: „Ich bin mit meiner Dunkelheit in mir ganz zufrieden.“ Er scheint Reue gegenüber Nahid zu verspüren: „Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich ein besseres Leben gehabt.“
Die fröhlich-positiven Momente zeigen sich in den kurzen Begegnungen mit den Enkeln. Sie tanzen, betrachten Bilder, feiern gemeinsam eine Ausstellung mit den im Teheraner Museum abfotografierten Werken.
Bäume und weibliche Kraft
Nahid hat ihre künstlerische Arbeit Themen der Frauenbewegung in Iran gewidmet. Sie sieht die Kraft der Frauen auf dem Weg zur Freiheit. In einem Bild halten drei Frauen gemeinsam eine Waffe in ihren ausgestreckten Armen. Während sie einen kahlen Baum mit sicherer und geschmeidig geführter Hand auf einem Blatt aufleben lässt, sagt sie: „Wenn ein Baum seine Blätter verliert, ist er allen Beschwernissen ausgesetzt. Regen, Schnee, Wind. Er erträgt alles, was auf ihn kommt. Er steht gut verwurzelt an seinem Platz. Er knickt nicht ein, er weint nicht, er urteilt nicht. Ich glaube, Bäume haben eine Verbindung mit der inneren weiblichen Kraft. Frauen gestalten. Männer zerstören für gewöhnlich.“
Nach langem Hin und Her bleibt das Regime hart. Die Werke bleiben in Teheran. Doch der Film zeigt eine schicksalsreiche Familiengeschichte, zeigt wie sie alle verwebt sind mit dem Geschehen in Iran, wie sie ihr Erleben in ausdrucksstarke Kunst giessen, wie sie um innere Freiheit ringen.
Der Film wird von Realfictionfilme vertrieben. Trailer: A Revolution in Canvas. Buch und Regie Sara Nodjoumi & Till Schauder
Am Sonntag, 4. August ist Till Schauder bei einer Preview zu Gast im Filmtheater Murnau, Wiesbaden. Der Film wird im Original gezeigt. In Kooperation mit Amnesty International.
Ab dem 22. August gibt es den Film mit deutschen Untertiteln in folgenden Kinos. Sara Nodjoumi und Till Schauder sind bei einigen der Vorstellungen zu Gast.
Es laufen parallel einige andere Filme von Regisseuren mit iranischem Hintergrund an. Einen Film, den wir auch empfehlen, handelt von einem exil-iranischen Journalisten, Ruhollah Zam, der vor wenigen Jahren vom Regime in Iran hingerichtet wurde. Der Sohn des Mullahs, von Nahid Persson Sarvestani.
@Helmut N. Gabel, mehriran.de, 03.08.2024